Ratgeber & Podcast

für Franchisezentralen

Der Blick über den Tellerrand des Franchising

Veronika Bellone: Guten
Morgen liebe Chat-Teilnehmerinnen und Chat-Teilnehmer. Ich freue mich auf einen
anregenden Austausch mit Ihnen.

Leser: Guten Morgen Frau Professsor: Wäre 2009
der richtige Zeitpunkt, um seitens der Franchise-Verbände und mit Unterstützung
der Politik eine große PR- und Veranstaltungskampagne für das „Gründen mit
System“ zu initiieren?

Veronika Bellone: Guten Morgen,
lieber Chat-Teilnehmer. Eine sehr gute Idee. Vor allem, wenn man den Nutzen der
Existenzgründung oder eines 2. Standbeins “mit System” herausstellt. Ich glaube,
dass wir als Franchise-Insider noch zu stark davon ausgehen, Franchising wäre
schon ein Begriff in der Gesellschaft bzw. in den avisierten Zielgruppen. Das
meine ich auch mit dem “erweiterten Blick”. Wir sollten nicht nur offener
kommunizieren, sondern auch darstellen, was sich im Franchising alles verändert
hat und verändern wird.

Leser: Sehr verehrte Frau Professor Bellone:
Mir ist nicht ganz klar, worauf Sie mit dem Thema „Franchising, der erweiterte
Blick“ hinaus wollen?

Veronika Bellone: Danke schön. Es
freut mich, dass Sie das fragen. Ich meine damit den Tunnelblick, den wir alle,
die mit dem Franchising zu tun haben, oftmals erlangt haben. Alles ist im Fluss.
Jede Branche zeitigt Veränderungen an und so gilt es, die Zeichen des Wandels im
Franchising zu erkennen. Das fängt mit den Bedürfnissen der Konsumenten und
Konsumentinnen wie Franchisepartner/innen an. Es gibt einen Generationenwandel
und damit andere Werte und Einstellungen, die im Vordergrund stehen. Wir
bewerben aber häufig unsere Franchise-Angebote mit den immer gleichen
Argumenten. Ich denke, dass wir uns näher zum Markt bewegen müssen und andere
Kooperationsformen auf deren Erfolgsfaktoren analysieren sollten, andere Märkte
anschauen sollten usw.

Leser: Guten Morgen, in welcher Richtung wird
sich die „Partnerschaft“ zwischen Franchisegebern und Franchisenehmern weiter
entwickeln? Kommt es zu einem Umdenken?

Veronika Bellone: Ich denke
schon. Der “Wir-Gedanke” muss mehr verankert und gelebt werden – oftmals steht
er als Floskel im Leitbild. Wenn man beobachtet, welche Bedeutung
Online-Kommunikation, soziale Netzwerke bekommen haben – z.B. Facebook, 2004
gegründet, wird heute von 150 Millionen Menschen genutzt – dann sehen wir einen
Wandel, der auch vom Franchise-Business aufgenommen werden muss. Für
Systemverantwortlichen heisst das, dass verstärkt die Besonderheiten des
Angebotes herausgearbeitet werden müssen, um im Bewerbermarkt als attraktiv zu
gelten. Dabei wird zunehmend das Partnermarketing im Vordergrund stehen. Wie der
Umgang mit den Partnern erfolgt, welchen Stellenwert man ihnen anräumt und
welche Perspektiven im Rahmen des Franchisesystems bestehen.

Leser: Von mir auch einen guten Morgen an alle
Teilnehmer: Wird es im Zuge der Wirtschaftskrise oder der anschließenden
Erholungsphase zu einem Strukturwandel im Franchising kommen? Welches werden
gegebenenfalls die entscheidenden Triebkräfte sein?

Veronika Bellone: Franchisesysteme werden über Netzwerkbildung gehen müssen, um sich vor
allem auf fremden Märkten zu etablieren. Ich denke, dass Co-Branding (zwei
Markenanbieter arbeiten zusammen)und lose Kooperationen mit anderen Anbietern am
Markt sehr wichtig werden. Dabei meine ich nicht, dass nur die Franchise- und
Lizenzsysteme unter sich bleiben, sondern eine starke Filialkette mit einer
Franchisekette kooperiert, wenn es um gemeinsame Standorte geht oder
Produkt-Neuentwicklungen oder reine Promotionen. D.h., dass eine Waschsalonkette
mit einer Partnervermittlung und einem Coffeeshop zusammenarbeitet und
gemeinsame Events veranstaltet. Der Aspekt der Ganzheitlichkeit wird mehr betont
werden, um dem Konsumenten/der Konsumentin Lösungen zu präsentieren und
erlebnisreiche Angebote.

Leser: Wie schätzen Sie die Chancen zur
Behauptung bestehender und der Erschließung neuer Marktfelder durch das
Franchising ein?

Veronika Bellone: Sehr gut, weil
man im Franchising mit selbstständigen Unternehmern / Unternehmerinnen gemeinsam
am Markt operiert. Eine dynamische Organisation, weil alle etwas bewegen wollen
und müssen – die Franchisepartner/innen, weil sie in der Regel investiert haben
und motiviert das Konzept realisieren wollen. Der Franchisegeber, weil er das
System entwickelt hat und sich über die Gebühren finanzieren und die Kette
up-to-date halten muss. Allerdings kann die angesprochene Dynamik nur eintreten,
wenn auch entsprechende Tools zur Weiterentwicklung eingerichtet werden. Die
Franchisepartner/innen sind Gratmesser am Markt. Sie bekommen veränderte
Einstellungen, den Wettbewerb, neue Rahmenbedingungen 1:1 jeden Tag mit. Damit
diese auch in entsprechender Form weitergetragen werden und eine pro-aktive
Lösung für das System gefunden wird – bzw. man immer eine Nasenlänge voraus ist,
braucht es Think Tanks, eine Ideenwerkstatt mit den Partnern. Das kann online
und/oder physisch passieren. Quasi ein “Facebook” für das Franchisesystem – nur
in strukturierter Form.

Leser: Ich sehe im Handwerk seit langem
Kooperationsdefizite. Worauf ist die weithin skeptische Haltung der
Handwerkskammern und Handwerksverbände gegenüber dem Franchising zurückzuführen?

Veronika Bellone: Das richtet
sich allgemein gegen die “Monokulturen”, die Sorge, dass es eine groß
Abhängigkeit der Betriebe von einem Anbieter gibt und es damit das
individualisierte Angebot nicht mehr gibt. Franchising wird als zu große
Einschränkung gesehen – der große Wert der Unterstützung in den Prozessabläufen
und den administrativen Belangen sowie des gemeinsamen Einkaufs werden meist in
zweiter Linie – wenn überhaupt gesehen. Es braucht sicher mehr
Aufklärungsarbeit.

Leser: Inwieweit werden soziale Netzwerke im
Internet für die Rekrutierung und Kundengewinnung im Franchising an Bedeutung
gewinnen?

Veronika Bellone: In Blogs und
anderen sozialen Online-Netzwerken werden nicht nur Produkte kritisch
diskutiert, es wird zunehmend auch persönliche Eindrücke über das
Bewerbungsprozedere und die Zusammenarbeit mit Franchisesystemen geben. Für
Franchisesysteme kann das heißen, dass sie sich dem selbst stellen und eine
Plattform einrichten, in den Fragen etc. diskutiert werden – auf jeden Fall muss
man heute vermehrt gewappnet sein und das Für und Wider des eigenen Auftritts
und der Systeminhalte einschätzen können. Das geht allerdings allen Unternehmen
so. Beim Franchising besteht die Besonderheit immer darin, dass man zwei Märkte
bedient, den Existenzgründermarkt und den der Nachfrager/innen. Und das ist eine
große Herausforderung.

Leser: Hallo guten Morgen, ich bin seit kurzem
mit einer Vermittlungsagentur für Heißluftballonfahrten und der Verkauf von
Werbung auf Heißluftballonen + Heißluft-Luftschiffen selbständig. Können Sie mir
bitte einen professionellen Rat geben, wie ich die Ballonkörbe fülle (Passagiere
finde) und an Hauptsponsoren ( wäre für sämtliche Marken geeignet)herantrete um
die große Werbefläche am HL-Ballon + Luftschiff professionell zu vermarkten.
Freundliche Grüße Th. Reith

Veronika Bellone: Was erfüllt
denn eine Ballonfahrt? Es ist die Veränderung der Perspektive. Mal nicht mehr
den Blick für’s Detail zu haben, sondern die Gesamtübersicht. Bertrand Piccard,
der bekannte schweiz. Ballonfahrer hat in seinem Buch gesagt – in unserem Leben
sind wir meistens damit beschäftigt, mit der Nase dicht am Teppichmuster unseres
Lebens zu sein – es lohnt sich, einmal den Blick zu erweitern und die
Zusammenhänge zu sehen. Welche Zielgruppe kann davon am meisten profitieren?
Sicherlich solche, die beruflich den ganzen Tag mit Details beschäftigt sind –
da finden Sie Controller, Zahntechniker, Goldschmiede, Geologen (!) – nur als
Beispiel. Ich würde die Ballonfahrt nicht als solitären Event bieten, sondern
einbinden in ein Workshop-Programm. Bieten Sie den Unternehmensverantwortlichen
an, im Rahmen eines Workshops auf neue Ideen zu kommen für deren Geschäftsfeld.
Sie können dazu doch auch mit einer Werbeagentur oder Unternehmensberatung
zusammenarbeiten, die den Workshop-Part übernimmt. Natürlich können Sie so etwas
einem Branchenverband ebenfalls anbieten, der damit über die eigene Branche
hinausschauen soll – evtl. auch als Sponsor.

Leser: Sie sprachen soeben den derzeitigen
Generationenwandel an. Auf welche Veränderungen sollten wir uns als
Netzwerkanbieter im Franchising unbedingt einstellen?

Veronika Bellone: Die
Generationen heute pflegen z.B. einen anderen Umgang mit Vorgesetzten, sie sind
lockerer – sie lehnen nicht ab, sie erwarten Erklärungen, Inspiration und
Motivation, um sich integrieren zu können. Soziale Wärme, Zugehörigkeit,
Ehrlichkeit sind wichtige Werte. Bezogen auf das Franchising heißt das, dass
vielmehr vorgelebt werden muss, was man auch von anderen erwartet. Vorbilder als
Orientierungshilfen werden immer wichtiger. Wenn von Partnern Offenheit und
Vernetzung in der Region erwartet wird, dann ist das sicher auch für die
Franchisezentrale wichtig, sich in der Branche zu vernetzen und dies den
Partnern zu kommunizieren.

Leser: Sie sprechen die Chancen neuartiger
Vernetzungen und Co-Branding an. Ich erlebe ständig, wie schwierig selbst simple
Kooperationen zwischen zwei Unternehmen sind und habe Zweifel, ob die Zeit für
Ihren wünschenswerten Ansatz reif ist.

Veronika Bellone: Die Angst ist
meist die größte Blockade – weil man glaubt, andere könnten “Ideenklau”
betreiben oder weniger in die Kooperation einbringen als man selbst. Das führt
dann häufig dazu, dass umständliche Kooperationsvereinbarungen geschrieben
werden, die die Motivation im Keim ersticken – bevor am überhaupt angefangen
hat. Es braucht eine klare Definition der Leistungen eines jeden
Kooperationspartners, des jeweiligen Nutzens daraus, der Zielkundschaft etc. und
der gemeinsamen Vision. Häufig fehlt genau das Letztere. Was man gemeinsam
günstigen Falls erreichen kann – quantitativ und qualitativ.

Leser: Werden die bisher eher kümmerlichen
Internationalisierungsansätze im Franchising durch die aktuelle Krise gebremst
oder gar zum Stillstand kommen?

Veronika Bellone: Die
Internationalisierung wird (oder sollte) sicher noch mehr auf die Chancen
überprüft werden. Und dies nicht nur in Bezug auf die grenzüberschreitende
Akzeptanz des Geschäftskonzeptes, sondern ebenso bezogen auf den möglichen
Partner im Ausland. Was kann einem Masterpartner und/oder Joint-venture-Partner
mit dem Franchisekonzept geboten werden. Auch hier gilt die Vorbildfunktion. Als
Franchisegeber/in muss man sich vorerst auf dem Heimmarkt behauptet haben, um
internationalisieren zu können. Die Herausforderung fängt hier an. Es wird
sicher “eine Flurbereinigung” geben, aber ich bin sicher, dass gerade solche
Systeme, die Franchising bewusst als innovative Kooperationsform leben, auch
vermehrt ins Ausland gehen werden.

Leser: Ich rechne aufgrund der
Wirtschaftskrise mit einer dauerhaften Änderung der Nachfragestruktur. Mich
würde sehr interessieren, wie Sie die Auswirkungen einschätzen.

Veronika Bellone: Die
Nachfragestruktur wird sich verändern – sie verändert sich ständig, aber in
Krisenzeiten wird darüber mehr gesprochen. Es gibt Änderungen, die sich aus dem
Überangebot am Markt ergeben, der Entwicklung benachteiligter Länder, der
technologischen Errungenschaften und es gibt Änderungen, die sich insbesondere
in Deutschland aus “staatlicher Steuerung” ergeben und einen Konsum-Hype z.B. in
der Automobilbranche erzeugen sollen. Die Konsumschere wird nicht nur
einkommensmäßig immer weiter auseinander gehen. Für die einen wird Konsum immer
mehr Flucht aus dem Alltag bedeuten und für andere ein bewusster Prozess, der
solche Anbieter bestraft, die nicht nachhaltig denken. Konsum als Betäubung und
Machtinstrument sind sicher wichtige Treiber.

Leser: Im Gegensatz zu früheren
Konjunktureinbrüchen können wir in der jetzigen Wirtschaftskrise noch keine
Zunahme der Interessentenanfragen feststellen. Erwarten Sie in den kommenden
Monaten mehr qualifizierte Kandidaten für die Franchise-Branche?

Veronika Bellone: Wie schon in
Antworten zuvor erwähnt, haben wir es auch vielfach mit einer anderen Generation
zu tun, die anders angesprochen werden will und eine andere Erwartungshaltung
hat. Kommt hinzu, dass die derzeitige Krise einen enormen Vertrauensverlust
seitens der potenziellen Konsumenten/Konsumentinnen und
Kooperationspartner/innen nach sich zieht. Wem kann man noch trauen? Das ist
eine der Kernfragen. Was bringt mir das? Eine zweite wichtige Frage. Was bringt
es der Gesellschaft? Eine Frage, die vielleicht noch nicht oft gestellt wird,
aber zunehmend wichtiger wird. Franchisesysteme können eine adäquate Lösung für
Existenzgründer/innen sein, weil sie viele Vorteile in der gemeinsamen Struktur
haben. Aber jetzt kommt es darauf an, kenntlich zu machen, wo die Vorteile im
einzelnen System liegen.

Leser: Ist zu befürchten, dass der besonders
wachstumsstarke B2B-Bereich im Franchising aufgrund der geringeren
Ausgabefreudigkeit der Unternehmen einen Dämpfer erhält?

Veronika Bellone: Einen Dämpfer
sicher, aber er wird noch wichtiger werden. Es ist eine Chance, sich über den
eigenen Wert den Nutzen, Gedanken zu machen, um ein wertvoller
Kooperationspartner zu sein.

Leser: Welche Franchising-Systeme werden von
den aktuellen Konjunkturprogrammen besonders profitieren?

Veronika Bellone: Ich sehe diese
Programme sehr kritisch, da sie nicht nachhaltig – geschweige denn ganzheitlich
ansetzen. Gewinner werden die Unternehmen sein, die die vorgenannten kritischen
Selbstüberprüfungen und Modifizierungen vornehmen.

Leser: Kürzlich griff FranchisePORTAL in einem
Sonder-Newsletter das Thema ‚Migranten und Aussiedler im Franchising’ auf. Was
kann seitens des DFV und der Franchisesysteme getan werden, um verstärkt
Menschen mit Migrationshintergrund für Franchising zu interessieren?

Veronika Bellone: Vielleicht
sollte vor Ihrer Frage geklärt sein, wie gut sich die Franchisesysteme auf diese
potenziellen Partner eingestellt haben. Ein Arbeitskreis zur Ermittlung der
Anforderungen und Bedürfnisse wäre wichtig, damit man auch eine passgenaue
Ansprache erreicht.

Leser: Was können Franchise-Netzwerke im
Handwerk tun, um mehr Partner zu gewinnen? Die geringere Internetaffinität der
Handwerker scheint die Zahl der Anfragen zu begrenzen.

Veronika Bellone: Evtl. eine
Roadshow. Wie es mobile Ausstellungswagen zur Vorstellung des Leistungsangebotes
an Türen nd Fenstern gibt – so könnte man (nach vorheriger Ankündigung – die
Adressen von Handwerksbetrieben in den Regionen sind erhältlich)
Informationsblöcke einplanen, um potenziellen Partnern über das Produkt und den
Markenauftritt das Konzept näher zu bringen.

Leser: Auf welchen Gebieten wird das Internet
in Zukunft die Betreuung und Unterstützung der Franchise-Nehmer weiter
vereinfachen und verbessern?

Veronika Bellone: Das Internet
wird für das gesamte Partnermarketing immer wichtiger werden und viele Prozesse
transparenter machen. Vereinfachng und Verbesserung wird dann stattfinden, wenn
die Vorlage – das Handling gut ist.

Veronika Bellone: Liebe
Chat-Teilnehmer/innen – ich danke Ihnen für die spannenden Fragen. Ich wünsche
Ihnen ein schönes Frühlings-Wochenende. Herzlichst Ihre Veronika
Bellone

Prof. Veronika Bellone
Prof. Veronika Bellone
Bellone FRANCHISE CONSULTING GmbH

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