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Gründungspotenziale von Migranten

Von Kai Koslick – GF von Franchise Start

Die Neigung zur Selbstständigkeit bei Menschen mit Migrationshintergrund ist größer als bei den deutschstämmigen Gründungsinteressierten. Dafür sprechen zahlreiche Untersuchungen und Studien.


Mitunter wird diese Tatsache durch die schlechte Situation am Arbeitsmarkt zusätzlich zur Neigung beeinflusst. Fakt ist, dass Menschen mit ausländischen Wurzeln in Deutschland häufiger arbeitslos sind als die Gesamtbevölkerung. Ihr Anteil an den Arbeitslosen beträgt 35 Prozent, wie aus einer Befragung der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht (1). Die Selbstständigkeit stellt für Migranten eine Möglichkeit dar, die Arbeitslosgeit zu beenden oder eine in der Heimat erworbene Qualifikation zu vermarkten, die nicht nach deutschen Standards zertifiziert ist. Migranten sehen in einer selbstständigen Tätigkeit daher eine gute Karriereoption (2).


Laut einer Studie der KfW-Bankengruppe wurde 2011 fast jedes vierte Unternehmen von einem Migranten gegründet. Während die allgemeine Zahl der Gründungen 2011 gegenüber dem Vorjahr um 11 % zurückgegangen ist, ist die Anzahl der Gründungen durch Migranten im gleichen Zeitraum um 15 % gestiegen.


„Den Mikrozensusergebnissen zufolge ist die Zahl der Selbstständigen ohne deutschen Pass allein zwischen 1998 und 2008 um rund 140.000 und damit um 56% gestiegen. Die Zahl deutscher Selbstständiger hat im gleichen Zeitraum nur um 12% zugenommen“ (3). Die hinter dieser Entwicklung stehende Dynamik wird verständlicher, wenn man die Gründungszahlen an der Stärke einzelner Erwerbspopulationen misst. „So betrachtet, entfielen im Jahr 2008 auf 10.000 deutsche Erwerbspersonen 93 Gründungen, bei den Ausländern waren es jedoch 321 Gründungen" (4).  


Die Gründer haben auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit spezifischen Informations- und Beratungsbedarf, der sich nicht über die üblichen Beratungswege abdecken lässt. Migrantengründungen stehen zwar für eine relativ hohe Zahl von Markteintritten, aber auch für eine entsprechend hohe Zahl von Marktaustritten.


Eine migrantenspezifische Beratung sollte daher auf die sozialen, kulturellen und ökonomischen Ressourcen, die in den ethnischen Gruppen bzw. Netzwerken verankert sind, eingehen. Das sind enorme Potenziale, die in die Gründung mit eingebracht werden. Die Gründung im Spannungsfeld von kulturell geprägten Werten und Verhaltensweisen der Migranten einerseits sowie die Anforderungen der deutschen Wirtschaftsweise und -kultur andererseits, verlangen von den Gründern ein Systemwissen (über die Struktur, Abfolge und Entscheidungswege und -kriterien im Gründungsprozess) und vom Berater ein hohes Maß an interkultureller Kompetenz.


Bei all den Aspekten, die dabei betrachtet werden sollten lässt sich festhalten, dass die Gründungsaktivitäten von Menschen mit Migrationshintergrund eine wachsende wirtschaftliche Bedeutung haben und gerade für Franchisesysteme eine hoch interessante Zielgruppe für die Expansionsstrategie darstellen, die noch bei weitem nicht ausgeschöpft ist.

Die Besonderheiten

  • Informationsbeschaffung: Migranten nutzen vornehmlich ihre informellen Netzwerke um sich Informationen zu besorgen. Diese sollten von expandierenden Franchisesystemen gezielt bearbeitet werden.
  • Beratung: Viele Migranten kennen aus eigener kultureller Tradition keine institutionalisierte Beratungseinrichtung wie die deutsche Berufs- oder Existenzgründungsberatung. Dies hat zur Folge, dass sie sowohl die verfügbaren professionellen Beratungsangebote nicht kennen als auch ihren Beratungsbedarf nicht realistisch einschätzen können. Weiterhin ist die Gründungsform „Franchise“ oft vollkommen unbekannt und bedarf einer gezielten Kommunikation.
  • Anderer Zeitbegriff: Insgesamt ist die Zeit bei vielen Migranten fließend und mit offenem Ende einsetzbar. Mit der Zeit wird nicht so genau gerechnet, so dass die Bedeutung in der Berufsvorbereitungs- oder in der Gründungsphase nicht deutlich erkennbar ist. Auf diese Weise werden die effektive Nutzung von Zeit, die Pünktlichkeit und die Einhaltung von Zeitplänen vernachlässigt. Bei vielen Beratern und Franchisesystemen führt das zu Voreingenommenheit und Ausschluss bevor überhaupt eine Chance besteht die Potenziale näher zu beleuchten.
  • Ästhetisches Empfinden: Viele Migranten betonen ihre kulturspezifischen Empfindungen meistens einseitig. Das hat allzu oft zur Folge, dass man beispielsweise nur die eigene Presse konsumiert und überwiegend nur in der eigenen Gemeinde kommuniziert. Auch hier ist eine gezielte Ausrichtung im Rahmen einer angepassten PR Kampagne erforderlich.
    Migranten, die übermäßig das eigene ästhetische Empfinden betonen, neigen in der Praxis sehr schnell dazu, einen anderen Geschmack oder andere Interessen und Sichtweisen zu unterschätzen. Dies kann sich bei der Selbstpräsentation wie auch bei der Teamarbeit nachteilig auswirken.
  • Ungenügende Kenntnis der deutschen Bildungs- und Verwaltungssysteme: Die 
    Kenntnis der Struktur und Funktionsweise der regionalen Verwaltungssysteme in Deutschland ist bei Migranten unvollständig. Welches Amt ist für die Bearbeitung von welchen Anträgen zuständig? Wo zeigt man eine freiberufliche Selbständigkeit an? Wie lange dauert die Eintragung in die örtliche Handwerksrolle? 
    Hinzu kommt, dass konkrete Arbeitsabläufe in den Ämtern allzu oft nicht bekannt sind. Zusätzlich besteht in vielen Fällen ein Defizit bezüglich der Formalitäten, die notwendig sind um sich z.B. selbstständig zu machen. Die Folge ist, dass Migranten in ihren Planungen tendenziell nicht erfolgreich sind. Im Rahmen einer „guten“ Begleitung eines Franchiseinteressenten ist es wichtig ihm nicht nur den geeigneten Ablaufplan in die Hand zu drücken, sondern ihn mit entsprechenden personellen Ressourcen, die mit den Problemstellungen vertraut sind, vor Ort zu unterstützen.
  • Die Gründungsform Franchise ist bei der Bevölkerung mit Migrationshintergrund nahezu unbekannt. Es existieren über die üblichen informellen Netzwerke auch keine Möglichkeiten, sich mehr über die Chancen, sich mit einem bestehenden und erfolgreichen Konzept selbstständig zu machen, zu informieren.
  • Ein ganz wichtiges Thema ist das der Finanzierung. Finanzierungsprobleme verhindern oder verzögern die Gründungsumsetzung von Migranten und stellen damit eine wesentliche Eintrittshürde dar. Das erfordert eine besondere Unterstützung durch z.B. die Qualifizierung und bessere Vorbereitung auf ein Bankgespräch. Weiterhin scheitert die Inanspruchnahme öffentlicher Förderdarlehen durch Migranten häufig an fehlender Kenntnis der Möglichkeiten. Eine Schlüsselrolle für eine Verbesserung der genannten Schwierigkeiten, übernehmen dabei spezialisierte Beratungseinrichtungen, die entsprechende interkulturelle Kompetenzen mitbringen und auf die Finanzierung solcher Vorhaben spezialisiert sind.

Was bedeutet das für die Franchisewirtschaft?

Ausgangssituation: Die aktuelle Situation in der Franchisepartner-Gewinnung hat sich deutlich verändert. Noch vor wenigen Jahren strömten viele, durch die Agentur für Arbeit geförderte Existenzgründer, auf den Markt. Aktuell sind diese Interessenten vollkommen verschwunden und machen lediglich noch einen Bruchteil der Anfragen aus. Die Franchisebetriebe suchen nach Lösungen. DFV-Franchise-Barometer 2013: Rund 60 Prozent der befragten Franchise-Unternehmen gaben gegenüber dem DFV an, ihre Expansionsziele 2013 nicht erreicht zu haben.

Sehr stark wachsende Franchisebetriebe setzen neben einer professionellen PR-Arbeit verstärkt auf Wachstum durch vorhandene Franchisepartner, die das Potenzial mitbringen, weitere Standorte zu eröffnen und Gebiete zu erschließen. Beide Bereiche, die Expansion durch neue Partner und das Wachstum durch bestehende Franchisebetriebe, die neue Standorte aufbauen, sind für die aufgeführte Thematik hoch spannend.

Wie können Franchisesysteme neue Zielgruppen, wie die der Migranten erschließen und auch bestehende Franchisepartner mit Migrationshintergrund qualifizieren und motivieren weitere Standorte zu eröffnen?

Eine Grundvoraussetzung ist eine zielgruppengerechte Infrastruktur für folgende Geschäftsbereiche aufzubauen:

  1. Marketing: Erschließung der neuen Zielgruppe „Migranten“.
  2. Partner-Rekrutierung: Für die Bearbeitung dieser Interessenten sollten Franchisemanager und Berater eingesetzt werden, die in der interkulturellen Beratung geschult sind.
  3. Partner-Management: Für die Unterstützung und Beratung der bestehenden Franchisepartner mit Migrationshintergrund ist die entsprechende interkulturelle Kompetenz des Managementteams unerlässlich.

Es werden u.a. spezielle Informationsmaterialien für die Ansprache benötigt, zielgruppengerechte Informationen bei den Erstgesprächen und der Begleitung durch den Rekrutierungsprozess sowie eine zielgruppengerechte Unterstützung nach dem Start. Dazu gehört, dass entsprechende Inhalte durch für diese Zielgruppe qualifizierte Berater vermittelt werden. Ein geeigneter Franchisepartner mit Migrationshintergrund kann sich durch eine nicht zielgruppengerechte Begleitung sehr schnell für ein anderes System entscheiden, das ihm die erwünschte Unterstützung anbietet.

Grundsätzlich sollten bei den Informationsmaterialien keine kompletten Übersetzungen gemacht werden, allerdings sollten fachspezifische Begriffe, deren inhaltliche Bedeutung Migranten nicht bekannt sind, entsprechend erläutert und ggf. auch übersetzt werden. Die Gruppe der Migranten ist aber keineswegs homogen, so dass die unterschiedlichen Gruppen auch unterschiedliches Coaching erwarten. Als Beispiel möchte die dritte Generation der Migranten, nicht das Gefühl vermittelt bekommen, dass sie in eine Schublade „Migranten“ gesteckt wird. Bei der interkulturellen Beratung geht es darum die Feinheiten in der Kommunikation zu beherrschen und sich mit der hoch spannenden Zielgruppe näher zu beschäftigen.

Der Ansprechpartner in den Franchisesystemen sollte daher in der Lage sein, die soziokulturellen Vorerfahrungen der Gründer mit Migrationshintergrund zu berücksichtigen: die Strukturen, Normen und Werte der „Heimat“ wie auch die individuelle Erlebnissituation / Integration, die Kenntnis der deutschen Wirtschaftsweise und Kultur, sind stark prägend für das wirtschaftliche Verhalten des Migranten.

Fazit

Franchising bietet für viele Migranten ideale Voraussetzungen sich mit ihren Ressourcen selbstständig zu machen. Die Ansprache, Bearbeitung und Betreuung ist aufgrund fehlender Kompetenzen in Systemzentralen nur begrenzt vorhanden. Die aktuellen Wege, die genutzt werden um diese hoch interessante und gründungswillige Zielgruppe zu erreichen, sind nicht ausreichend.


Der Autor, Kai Koslick, ist Geschäftsführer von Franchise Start und bietet mit einem bundesweiten Beratungsteam Dienstleistungen für die Franchisebranche an. In 2001 hat er die erste Beratungsstelle für Existenzgründer mit Migrationshintergrund in Deutschland mit aufgebaut und war als Vorstandsmitglied des Verbands Deutscher Gründungsinitiativen e.V. in Berlin für den Arbeitskreis „Gründungen durch Migranten“ verantwortlich. Kai Koslick hat zu diesem Thema Schulungen durchgeführt, Fachvorträge gehalten und Veranstaltungen organisiert. Seine Beratungsstelle wurde von der Bundesregierung im Rahmen der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ ausgezeichnet.

18.06.2014 copyright Kai Koslick

(1) Zeit Online / Wirtschaft, 28. Mai 2014
(2) IAB – Kurzbericht – Aktuelle Analysen aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 25/2013
(3) Jessica Di Bella und René Leicht: Zielgruppenorientierte Gründungsförderung. Migrantinnen und Migranten in der Gründungsberatung. In: Gründungsförderung in Theorie und Praxis. KfW-Research, Frankfurt am Main (Mai 2011)
(4) Jessica Di Bella und René Leicht: Zielgruppenorientierte Gründungsförderung. Migrantinnen und Migranten in der Gründungsberatung. In: Gründungsförderung in Theorie und Praxis. KfW-Research, Frankfurt am Main (Mai 2011)

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